2008 Taiwan 04 Bearbeitet

Unsere Vision

Das ist der erste Beitrag zum Thema „Vision“ in der Folge der Impulse für den monatlichen Meditationsabend

Vision

Ich habe den Begriff „Vision“ von Jon Kabat-Zinn übernommen. Er schreibt in seinem Buch „Full Catastrophe Living“, welches sein MBSR Programm entfaltet:

Die meisten Menschen, die in die Stressreduktionsklinik kommen sagen uns, dass sie kommen um einen friedlichen Geist zu bekommen, und zwar unabhängig davon, was ihr medizinisches Problem ist. Aber um einen friedlichen Geist zu erlangen, müssen die Menschen eine Vision davon entwickeln, was sie wirklich für sich selbst wollen und diese Vision angesichts innerer und äußerer Nöte, Hindernisse und Rückschläge am Leben erhalten.

Früher dachte ich, dass die Meditationspraxis an sich so kraftvoll und so heilsam ist, dass du, solange du dich ihr regelmäßig widmest, schließlich Wachstum und Veränderung sehen würdest. Aber die Zeit hat mich gelehrt, dass auch eine Art persönliche Vision notwendig ist. Vielleicht könnte es eine Vision davon sein, was oder wer du sein könntest, wenn du klarer erkennen würdest, wie dein eigener Geist deine Wachstumsmöglichkeiten einschränkt, sogar in Bezug auf das, wozu dein Körper fähig wäre, wenn du nur akzeptieren und lernen würdest, innerhalb der Grenzen des Augenblicks zu arbeiten. Eine solche persönliche Vision oder Absicht kann wesentlich sein, um dich durch die unvermeidlichen Zeiten geringer Motivation zu tragen und deiner Praxis Kontinuität zu verleihen.

Für manche könnte diese Vision eine von Lebendigkeit und Gesundheit sein. Für andere könnte es Entspannung oder Freundlichkeit oder Friedfertigkeit oder Harmonie oder Weisheit sein. Deine Vision sollte das sein, von dem du glaubst, dass es am grundlegendsten für deine Fähigkeit ist, dein bestes Selbst zu sein, mit dir selbst in Frieden zu sein, als Person vollständig integriert zu sein, ganz zu sein.

Friedlicher Geist

Jon Kabat-Zinn sagt also: Es geht  letztlich um einen friedlichen Geist. Ich habe damit den englischen Ausdruck „Peace of Mind“ übersetzt. Vielleicht könnten wir auch sagen „Frieden im Herzen“ oder „Glück“. Ich stelle mir das als einen Zustand vor, in dem wir mit uns selbst im Einklang und im Frieden sind. In dem wir das Gefühl haben: wir sind auf dem richtigen Weg. Jon Kabat-Zinn sagt: um immer mehr in einen solchen Zustand zu kommen, müssen wir eine Vision davon entwickeln, was wir wirklich für uns selber wollen. Und diese Vision sollen wir angesichts innerer und äußerer Nöte, Hindernisse und Rückschläge am Leben erhalten.

 

Worin kann die Vision bestehen?

Jon Kabat-Zinn gibt uns diese Hinweise:

  • wer oder was könntest du sein, wenn du realisierst, wie dein eigener Geist deine Möglichkeiten für Wachstum einschränkt?
  • Wer oder was könntest du sein, wenn du die die Grenzen dessen akzeptierst, was dir im gegenwärtigen Moment möglich ist, und lernst innerhalb dieser Grenzen klug zu handeln?

Hier schimmert schon die Achtsamkeit durch.

Schränkt dich dein Geist ein?

Sie erlaubt es uns,  zu realisieren, wie unser Geist unsere Möglichkeiten für Wachstum einschränkt. Im MBSR Kurs machen wir die neun Punkte Übung. Dabei geht es darum, neun Punkte mit vier Strichen ohne abzusetzen zu besuchen. Das ist schwierig, solange man sich an die mentale Begrenzung hält, welche durch die Platzierung der Punkte in einem Quadrat nahegelegt wird. Um eine Lösung zu finden, muss man diese Begrenzung ignorieren. Das ist eine gute Metapher dafür, wie eingefahrene Denkweisen uns einschränken können.

Quelle: vinckensteiner.com

Unsere Möglichkeiten und Grenzen 

Die Achtsamkeit erlaubt es uns auch, unsere Grenzen und Möglichkeiten im gegenwärtigen Moment zu erkennen und zu lernen, klug mit ihnen umzugehen. Im Zeit-Magazin dieser Woche berichtet die junge Journalistin Lisa McMinn über ihre Angststörung. Sie erzählt von ihren vielen Therapieversuchen. Einen Fortschritt machte sie, als sie begann, diese Angst als Teil ihrer selbst zu akzeptieren. Das ermöglichte es ihr, offener damit umzugehen, ihren Besuch beim Therapeuten so zu sehen, wie andere ins Fitnessstudio gehen, und sich bei ihren Freundinnen Hilfe zu holen. Die Akzeptanz ermöglichte es ihr auch, diesen, wie ich finde, großartigen Artikel zu schreiben und damit anderen zu helfen.

Deine Vision ist persönlich

Das sind allgemeine Hinweise darauf, wie eine solche Vision entstehen kann. Sie sind für uns alle gültig. Aber letztlich ist die Vision, von der Jon Kabat-Zinn spricht, sehr individuell. Er gibt Hinweise, was sie enthalten könnte:

  • Lebendigkeit,
  • Gesundheit,
  • Entspannung,
  • Freundlichkeit,
  • Friedfertigkeit,
  • Harmonie

Was das für dich ist, wirst du selbst finden. Nimm dir  Zeit  und schreibe deine Vision auf. Sei dabei ruhig ausführlich und detailliert. Am Anfang ist das vielleicht holprig. Aber nach und nach wirst du ihr näher kommen. Wie es in dem Gedicht von Mary Oliver steht:

The Journey

One day you finally knew
what you had to do, and began,
though the voices around you
kept shouting
their bad advice –
though the whole house
began to tremble
and you felt the old tug
at your ankles.
“Mend my life!”
each voice cried.
But you didn’t stop.
You knew what you had to do,
though the wind pried
with its stiff fingers
at the very foundations,
though their melancholy
was terrible.
It was already late
enough, and a wild night,
and the road full of fallen
branches and stones.
But little by little,
as you left their voices behind,
the stars began to burn
through the sheets of clouds,
and there was a new voice
which you slowly
recognized as your own,
that kept you company
as you strode deeper and deeper
into the world,
determined to do
the only thing you could do –
determined to save
the only life you could save.

From Dream Work by Mary Oliver. © 1986

Meine Vision

Als ich mit der Meditation begonnen habe, wünschte ich mir, meine Emotionen besser zu regulieren. Weniger impulsiv zu handeln. Ruhiger zu werden. Es mir zu erlauben, eine Pause zu machen. Ich habe das immer wieder aufgeschrieben. Inzwischen hat sich diese Vision weiterentwickelt. Ich wünsche mir, dass Achtsamkeit noch prägender für mein Leben ist.

Entwickele deine Vision“!

Wenn du deine Vision immer wieder anschaust, wird sie sich entwickeln.

Eine Klarstellung ist wichtig. Es geht aber nicht darum, daran zu arbeiten, ein Ziel zu erreichen. Mit Teilzielen, Meilensteinen und Überprüfung der Meilensteine. Es geht tatsächlich um eine Vision, die dich begleitet. Für mich ist sie ein bisschen so, wie mein Zimmer, in dem ich mich viel aufhalte. Da gibt es Bücher, Bilder, Musik, einen Schreibtisch usw. Ich sehe, was mich beschäftigt, was mir wichtig ist. Manchmal kommt ein Text oder ein Bild oder etwas anderes dazu, dass einen neuen Gedanken bringt, meiner Vision etwas hinzufügt. Vielleicht magst du dir die Vision als inneren Raum vorstellen, den du dir so einrichtest, wie es für dich gut ist. Der dich erinnert, wo du hin möchtest, wer du bist und noch werden möchtest. Du kannst ihn immer wieder aufsuchen. Am Anfang einer Meditation. Auch im Alltag. Immer wieder innehalten und in diesen Raum gehen.  Ein bisschen darin verweilen. Du schaust dich um, änderst vielleicht etwas, und entwickelst den Raum deiner Vision weiter. Und dann gehst du wieder in die Welt. 

3 Kommentare zu „Unsere Vision“

  1. Gudrun Hegen

    Mit dem Gedanken von der Vision bin ich eingeschlafen ,und frage mich beim aufwachen und heute am Sonntag immer wieder , was ist meine Vision. Ich bleibe am Nachdenken.

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