Was ist MBSR?
MBSR steht für Mindfulness-based Stress Reduction, also achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. MBSR ist ein achtwöchiges Programm, das ein intensives Achtsamkeitstraining anbietet. Es unterstützt Menschen dabei belastende Situationen, Stress, Ängste und Schmerzen besser zu bewältigen, mehr Ruhe und Gelassenheit zu entwickeln, sowie selbstbestimmter und glücklicher zu leben.
Entwickelt am University of Massachusetts University Hospital in den 1970er Jahren von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn (Kabat-Zinn 2011), verwendet MBSR eine Kombination aus Achtsamkeitsmeditation, Körperwahrnehmung, Yoga und der Erforschung von Verhaltensmustern, Denken, Fühlen und Handeln. Jon Kabat-Zinn entwickelte das Programm zunächst für Patient*innen mit chronischen Schmerzen. Schnell wurde klar, dass dieses Achtsamkeitstraining allen Menschen im Umgang mit jeglicher Art von Stress hilft – ob durch Arbeit, Familie, Beziehung oder Krankheit.
Um MBSR zu unterrichten und zu erforschen, gründete Jon Kabat-Zinn 1979 die Stress Reduction Clinic am University of Massachusetts Medical Center und fast zwanzig Jahre später das Center for Mindfulness in Medicine, Health Care, and Society an der University of Massachusetts Medical School. Beide Institutionen unterstützten und fördern Entwicklung, Wachstum und Anwendung von MBSR weltweit. Kabat-Zinn beschreibt das MBSR-Programm ausführlich in seinem Bestseller aus dem Jahr 1990 „Full Catastrophe Living“, der 2013 in einer überarbeiteten Auflage neu aufgelegt wurde (Kabat-Zinn 2013a). Die deutsche Übersetzung (Kabat-Zinn 2013b) erschien unter dem Titel „Gesund durch Meditation“. Im Jahr 2017 wird berichtet (Barnes u. a. 2017), dass fast 80 % der medizinischen Fakultäten US-amerikanischer Universitäten inzwischen Achtsamkeitstrainings anbieten. Die Forschungs- und Ausbildungszentren, die sich der Achtsamkeit widmen, haben sich seit der Entwicklung von MBSR stark vermehrt. In Deutschland erkennt die zentrale Prüfstelle für Prävention ZPP, eine Kooperationsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen, MBSR als erfolgreiche Präventionsmaßnahme an und erstattet die Kosten für einen MBSR-Kurs anteilig.
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist eine Lebenshaltung. Jon Kabat-Zinn beschreibt Achtsamkeit so: es handelt sich um eine bestimmte Art der Aufmerksamkeit nämlich absichtsvolle Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment ohne zu bewerten. Tatsächlich ist unsere Aufmerksamkeit nicht selten auf die Vergangenheit oder die Zukunft gerichtet. Da sind vielleicht Bedauern oder Schuldgefühle, weil wir glauben, etwas nicht richtig gemacht zu haben. Oder Sorgen und Ängste, was noch passieren kann. Und wir merken das oft gar nicht. Die Aufmerksamkeitssteuerung ist dann eher ein Automatismus. Wenn wir achtsam sind, nehmen wir alles wahr, was im gegenwärtigen Moment in uns und um uns herum auftaucht. Das kann eine schöne Begegnung mit einem anderen Menschen sein, ein Naturerlebnis oder ein leckeres Essen. Das können auch beunruhigende oder schmerzhafte Gefühle und Gedanken sein. Wir nehmen alles freundlich und ohne Bewertung an. Ohne Bewertung heißt nicht, dass wir alles gut finden. Das Schöne erleben wir als schön. Das Schmerzhafte als schmerzhaft. Aber wir lassen es zu, geben dem, was ist, Raum. Der bedeutende Achtsamkeitslehrer Thich Nhat Hanh sagt: „Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.“
Welche positiven Wirkungen von Achtsamkeit sind nachgewiesen?
Der Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und Wohlbefinden wurde eindrucksvoll in dem Beitrag „A wandering mind is an unhappy mind“ (Killingsworth und Gilbert 2010) aus dem Jahr 2010 bestätigt. Er wurde in der bedeutenden naturwissenschaftlichen Zeitschrift Nature veröffentlich wurde. Die Autoren berichten von einem Experiment, das mit Hilfe einer iPhone App durchgeführt wurde. Die App sendet den Teilnehmer*innen zu unregelmäßigen Zeitpunkten Nachrichten, stellt Fragen und speichert die Antworten in der Datenbank trackyourhappiness.org. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung enthielt die Datenbank fast eine Viertelmillion Einträge von etwa 5000 Teilnehmer*innen aus 83 verschiedenen Ländern. Den Teilnehmenden wurde drei Fragen gestellt: Wie fühlst du dich, auf einer Skala von sehr schlecht bis sehr gut? Was machst du gerade (aus einer Liste von 22 verschiedenen Aktivitäten, einschließlich Dinge wie Essen, Arbeiten und Fernsehen)? Denkst du gerade an etwas anderes als das, was du gerade tust? Die Studie ergab, dass das geistige Abschweifen, also das Nachdenken über etwas anderes als die aktuelle Aufgabe oder Situation, generell
mit niedrigeren Glücksniveaus verbunden ist. Dies deutet darauf hin, dass unser emotionales Wohlbefinden negativ beeinflusst wird, wenn unser Geist vom gegenwärtigen Moment abschweift.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass MBSR unter anderem in folgenden Bereichen eine positive Wirkung hat: Stressreduktion, verbesserte allgemeine Gesundheit, Verbesserung des Immunsystems und verminderte Anfälligkeit für Krankheiten, besserer Schlaf, gesteigerte Konzentrationsfähigkeit, verbesserte Emotionsregulation, bessere kognitive Fähigkeiten, weniger Sorgen, Nervosität und Angst. Eine Übersicht über diese Arbeiten findet sich hier.
Wie läuft der MBSR-Kurs ab?
Der MBSR-Kurs ist ein achtwöchiges Programm. Die Übungsgruppe trifft sich jede Woche an einem Abend. An den Abenden werden die verschiedenen MBSR-Elemente vorgestellt, eingeübt und besprochen. Die praktische Übung steht im Zentrum. Nach dem sechsten oder siebten Abend verbringt die Gruppe an einem Tag der Achtsamkeit fünf Stunden zusammen im Schweigen und erlebt die Übungen intensiv und im Zusammenhang.
Das Programm enthält folgende Übungselemente:
- achtsame Körperwahrnehmung (Body-Scan), sanftes und achtsames Yoga,
- Sitzmeditation mit Achtsamkeit auf den Atem, den Körper, Geräusche, Gedanken und Gefühle,
- achtsame alltägliche Handlungen, z.B. gehen und essen,
- achtsame Kommunikation.
Die Übungen der achtsamen Körperwahrnehmung wurden aus körpertherapeutischen und körperpsychotherapeutischen Methoden abgeleitet; Yoga steht in der hinduistischen Tradition, die Sitzmeditation und Gehmeditation sind der buddhistischen Meditationspraxis (Zazen und Vipassana) entliehen. Bei allen Übungen steht das nicht-wertende Annehmen dessen im Vordergrund, was gerade im Augenblick wahrnehmbar ist. Das können Körperempfindungen (z. B. Druck, Kribbeln), Gefühle, Emotionen (z. B. Angst, Trauer), Stimmungen, Sinneswahrnehmungen oder Gedanken sein.
Referenzen
———. 2013b. Gesund durch Meditation – Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. Knaur.